DIE GESCHICHTE DES BAUCHTANZES
"Bauchtanz" ist eine direkte Übersetzung des französischen "danse du ventre". Diesen Begriff verwendete erstmals der Schriftsteller Gustave Flaubert im 19. Jahrhundert, um den Tanz in seinen Reiseberichten zu beschreiben. Allerdings wollte er damit sicherlich nicht einen Tanz-Stil-Begriff prägen, sondern brachte vielmehr seine persönlichen Empfindungen poetisch zum Ausdruck, nachdem er die Zigeunerin Kuchuk Hanem am 03. März 1850 tanzen sah. Nun, was auch immer Flaubert sah - es war auf keinen Fall „Bauchtanz“, so wie wir ihn heute kennen. Der wurde erst ein halbes Jahrhundert später erfunden von der letzten großen Awalim.
Awalim waren angesehene muslimische Frauen von gesellschaftlich hohem Rang, gebildet, in den höchsten Kreisen verkehrend, politisch versiert und finanziell unabhängig. Sie gehörten zu den wenigen Frauen im Orient, die lesen und schreiben konnten und wurden von Frauen und Männern gleichermaßen verehrt. Und die Awalim war Tänzerin, Sängerin, beherrschte mehrere Instrumente und bezauberte ihr Publikum ... im Harem! Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen. „Harem“ - das ist kein erotischer Spielplatz, sondern eine rigide und kostspielige Familienform mit gegenseitigen Verpflichtungen, die für jede Frau und jeden Mann in unserer modernen, westlichen Welt völlig unakzeptabel wären. Und dort tanzte die Awalim nur vor Frauen. Männer hatten schlicht keinen Zugang zum Harem - auch nicht Flaubert oder ein anderer Orientreisender, von denen uns die abenteuerlichsten Beschreibungen des Bauchtanzes überliefert wurden.
Gut 70 Jahre nach Flaubert´s Reisen eroberten sich die Awalim die Weltbühne. 1ter Weltkrieg, 2ter Weltkrieg - Europa trug diese Kriege über seine Kolonien in den Orient. So tummelte sich allerlei Volk in Ägyptens Hauptstadt: Engländer, Franzosen, Spanier, Deutsche und Amerikaner - Soldaten, Spione, Schmuggler, Waffenhändler, Kriegsgewinnler, Kriegsverlierer. Nun saß also dieses ausländische Volk in Kairo und wollte unterhalten werden; Nachtclubs und Varietés schossen wie Pilze aus dem Boden. Hier traten vor allem europäische Künstler und Künstlerinnen auf. Sie wurden engagiert, um den abendländischen Geschmack an Musik, Tanz und Unterhaltung zu treffen. Schließlich ging es hier ums große Geschäft - nicht um Kunst und Kultur.
Doch dann hatte Badia Masabni (1892—1976), die „letzte große Awalim“ und eine überaus erfolgreiche Geschäftsfrau, etwa um die 1930er Jahre eine geniale Geschäftsidee: Sie holte hübsche Bauernmädchen von den Feldern und bildete sie im Tanzen aus. Badia arrangierte Schritte und Bewegungen aus einer Vielzahl ägyptischer Volkstänze neu, steckte die Mädchen in BH, Rock und Perlengürtel und präsentierte sie dem Publikum: Der Bauchtanz - so wie wir ihn heute kennen - war geboren! Und er rief wahre Begeisterungsstürme hervor - nicht nur bei den Ausländern, sondern auch bei der einheimischen Oberschicht. Das „Casino Opera“ - Badias Nachtclub - wurde zu dem angesagten, gesellschaftlichen Anziehungspunkt. Hier mussten einfach alle hin, die „in“ sein wollten.
Aber Badia tat noch mehr; sie entwickelte den "Raqs Sharqi" (Tanz des Ostens), in dem sie mit ihrem Team von Choreografen neue Beckenbewegungen erfand, darunter vor allem den Shimmy. Auch große Armbewegungen und raumgreifendes Tanzen waren bis dahin in Ägypten nicht üblich. Und Badia erfand den Tanz mit dem Schleier; da das Publikum in den hinteren Reihen die Bewegungen nicht richtig sehen konnte, stattete sie ihren Tänzerinnen mit Schleiern aus. Diese erzielten eine ungeheure Wirkung - über den Abstand zum Publikum hinweg.
Etwa zur gleichen Zeit entdeckten namhafte, amerikanische Tänzerinnen - darunter Ruth St. Denis, Ida Rubenstein, Maud
Allen und Louie Fuller - den Orientalischen Tanz für sich. Sie rebellierten damit gegen das Ballett und wurden zu
Mitbegründerinnen des Ausdruckstanzes, der in den Modern Dance oder Jazzdance mündete.
Das Hollywood-Kino folgte in den 1930er, 1940er und 1950er Jahren. Eine Flut von Spielfilmen mit orientalischen Geschichten,
in denen immer wieder Bauchtänzerinnen, aber auch weltberühmte Schauspielerinnen tanzten, überschwemmte den Markt. So z.B. 1932 „Mata Hari“ mit Greta Garbo, 1934 „Cleopatra“ mit Claudette Colbert, 1938 „Der Tiger von Eschnapur" und "Das indischen Grabmal“ mit La Jana, 1949 „Die schwarzen Teufel von Bagdad“ mit Maureen O’Hara und schließlich - unvergessen - 1953 „Salome“ mit Rita Hayworth.
Allerdings setzte sich der Bauchtanz in der westlichen Welt erst ab den 1960er Jahren vollends durch. Seit dieser Zeit verlor er immer mehr seinen stereotypen Charakter als erotische Unterhaltungsform und etablierte sich als Breitensport. In den USA eröffneten die ersten „Belly Dance“-Studios und fanden dankbare Kundinnen. Ihr Ausbruch aus gesellschaftlichen Konventionen in Auflehnung gegen die konservative Regierung der USA der Nachkriegszeit fand auch im Bauchtanz seinen Ausdruck.
Auch die Bezeichnung des Tanzes änderte sich; der umgangssprachliche Begriff „Bauchtanz“ ist irreführend, da nicht nur der Bauch bewegt wird, sondern der ganze Körper. Viele Tänzerinnen sprechen daher heute vom „Orientalischen Tanz“ oder verwenden den arabischen Begriff „Raqs Sharqi“.
In den 1980er Jahren verlor der Orientalische Tanz schließlich auch in Deutschland sein Nischendasein. Heute gibt es bundesweit rund 60.000 Tänzerinnen, die den Orientalischen Tanz als Sport und Tanzkunst in all seiner exotischen Schönheit betreiben.
Der Orientalische Tanz ist ungeheuer vielfältig. - Längst fließen Elemente aus den unterschiedlichsten Tanzrichtungen ein wie Ballett, Flamenco, Tango, Modern Dance, Jazzdance und sogar HipHop. Nicht einmal Tanzdarbietungen zu Heavy Metall machen vor der Tanzlust Halt. Die Requisiten vom Schleier über den Säbel bis hin zum Kerzenleuchter werden immer raffinierter. Auch die ägyptischen Volkstänze in Bühnenversion gehören mittlerweile zum Repertoire der Tänzerinnen. Der Orientalische Tanz hat schon längst Bühnenreife erlangt und auch in Deutschland gibt es namhafte Tänzerinnen von internationalem Ruf.
Autorin: Cornelia Bergler „Talestri“, Inhaberin des Tanzstudios „Sent M´ahesa“ für orientalischen Tanz www.sentmahesa.de
Awalim waren angesehene muslimische Frauen von gesellschaftlich hohem Rang, gebildet, in den höchsten Kreisen verkehrend, politisch versiert und finanziell unabhängig. Sie gehörten zu den wenigen Frauen im Orient, die lesen und schreiben konnten und wurden von Frauen und Männern gleichermaßen verehrt. Und die Awalim war Tänzerin, Sängerin, beherrschte mehrere Instrumente und bezauberte ihr Publikum ... im Harem! Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen. „Harem“ - das ist kein erotischer Spielplatz, sondern eine rigide und kostspielige Familienform mit gegenseitigen Verpflichtungen, die für jede Frau und jeden Mann in unserer modernen, westlichen Welt völlig unakzeptabel wären. Und dort tanzte die Awalim nur vor Frauen. Männer hatten schlicht keinen Zugang zum Harem - auch nicht Flaubert oder ein anderer Orientreisender, von denen uns die abenteuerlichsten Beschreibungen des Bauchtanzes überliefert wurden.
Gut 70 Jahre nach Flaubert´s Reisen eroberten sich die Awalim die Weltbühne. 1ter Weltkrieg, 2ter Weltkrieg - Europa trug diese Kriege über seine Kolonien in den Orient. So tummelte sich allerlei Volk in Ägyptens Hauptstadt: Engländer, Franzosen, Spanier, Deutsche und Amerikaner - Soldaten, Spione, Schmuggler, Waffenhändler, Kriegsgewinnler, Kriegsverlierer. Nun saß also dieses ausländische Volk in Kairo und wollte unterhalten werden; Nachtclubs und Varietés schossen wie Pilze aus dem Boden. Hier traten vor allem europäische Künstler und Künstlerinnen auf. Sie wurden engagiert, um den abendländischen Geschmack an Musik, Tanz und Unterhaltung zu treffen. Schließlich ging es hier ums große Geschäft - nicht um Kunst und Kultur.
Doch dann hatte Badia Masabni (1892—1976), die „letzte große Awalim“ und eine überaus erfolgreiche Geschäftsfrau, etwa um die 1930er Jahre eine geniale Geschäftsidee: Sie holte hübsche Bauernmädchen von den Feldern und bildete sie im Tanzen aus. Badia arrangierte Schritte und Bewegungen aus einer Vielzahl ägyptischer Volkstänze neu, steckte die Mädchen in BH, Rock und Perlengürtel und präsentierte sie dem Publikum: Der Bauchtanz - so wie wir ihn heute kennen - war geboren! Und er rief wahre Begeisterungsstürme hervor - nicht nur bei den Ausländern, sondern auch bei der einheimischen Oberschicht. Das „Casino Opera“ - Badias Nachtclub - wurde zu dem angesagten, gesellschaftlichen Anziehungspunkt. Hier mussten einfach alle hin, die „in“ sein wollten.
Aber Badia tat noch mehr; sie entwickelte den "Raqs Sharqi" (Tanz des Ostens), in dem sie mit ihrem Team von Choreografen neue Beckenbewegungen erfand, darunter vor allem den Shimmy. Auch große Armbewegungen und raumgreifendes Tanzen waren bis dahin in Ägypten nicht üblich. Und Badia erfand den Tanz mit dem Schleier; da das Publikum in den hinteren Reihen die Bewegungen nicht richtig sehen konnte, stattete sie ihren Tänzerinnen mit Schleiern aus. Diese erzielten eine ungeheure Wirkung - über den Abstand zum Publikum hinweg.
Etwa zur gleichen Zeit entdeckten namhafte, amerikanische Tänzerinnen - darunter Ruth St. Denis, Ida Rubenstein, Maud
Allen und Louie Fuller - den Orientalischen Tanz für sich. Sie rebellierten damit gegen das Ballett und wurden zu
Mitbegründerinnen des Ausdruckstanzes, der in den Modern Dance oder Jazzdance mündete.
Das Hollywood-Kino folgte in den 1930er, 1940er und 1950er Jahren. Eine Flut von Spielfilmen mit orientalischen Geschichten,
in denen immer wieder Bauchtänzerinnen, aber auch weltberühmte Schauspielerinnen tanzten, überschwemmte den Markt. So z.B. 1932 „Mata Hari“ mit Greta Garbo, 1934 „Cleopatra“ mit Claudette Colbert, 1938 „Der Tiger von Eschnapur" und "Das indischen Grabmal“ mit La Jana, 1949 „Die schwarzen Teufel von Bagdad“ mit Maureen O’Hara und schließlich - unvergessen - 1953 „Salome“ mit Rita Hayworth.
Allerdings setzte sich der Bauchtanz in der westlichen Welt erst ab den 1960er Jahren vollends durch. Seit dieser Zeit verlor er immer mehr seinen stereotypen Charakter als erotische Unterhaltungsform und etablierte sich als Breitensport. In den USA eröffneten die ersten „Belly Dance“-Studios und fanden dankbare Kundinnen. Ihr Ausbruch aus gesellschaftlichen Konventionen in Auflehnung gegen die konservative Regierung der USA der Nachkriegszeit fand auch im Bauchtanz seinen Ausdruck.
Auch die Bezeichnung des Tanzes änderte sich; der umgangssprachliche Begriff „Bauchtanz“ ist irreführend, da nicht nur der Bauch bewegt wird, sondern der ganze Körper. Viele Tänzerinnen sprechen daher heute vom „Orientalischen Tanz“ oder verwenden den arabischen Begriff „Raqs Sharqi“.
In den 1980er Jahren verlor der Orientalische Tanz schließlich auch in Deutschland sein Nischendasein. Heute gibt es bundesweit rund 60.000 Tänzerinnen, die den Orientalischen Tanz als Sport und Tanzkunst in all seiner exotischen Schönheit betreiben.
Der Orientalische Tanz ist ungeheuer vielfältig. - Längst fließen Elemente aus den unterschiedlichsten Tanzrichtungen ein wie Ballett, Flamenco, Tango, Modern Dance, Jazzdance und sogar HipHop. Nicht einmal Tanzdarbietungen zu Heavy Metall machen vor der Tanzlust Halt. Die Requisiten vom Schleier über den Säbel bis hin zum Kerzenleuchter werden immer raffinierter. Auch die ägyptischen Volkstänze in Bühnenversion gehören mittlerweile zum Repertoire der Tänzerinnen. Der Orientalische Tanz hat schon längst Bühnenreife erlangt und auch in Deutschland gibt es namhafte Tänzerinnen von internationalem Ruf.
Autorin: Cornelia Bergler „Talestri“, Inhaberin des Tanzstudios „Sent M´ahesa“ für orientalischen Tanz www.sentmahesa.de